Roboterstricken
21.02.2019
Katrin M. Kämpf
Das 2018 gestartete wissenschaftliche Projekt „Träumen Roboter vom Stricken? Neucodierungen der Zusammenarbeit von Roboter und Mensch“ an der TU Berlin erforscht neue Formen der Mensch-Maschine-Interaktion, indem es einem Roboter Stricken beibringt und so auch mit traditionellen Geschlechterstereotypen brechen möchte. Wir haben ein Interview mit Projektleiterin Dr. phil. Patricia Treusch zu diesem spannenden Thema geführt.
Wie kommt man eigentlich auf die Idee, ein Forschungsprojekt zu beginnen, in dem Roboter stricken lernen? Was möchten Sie erreichen bzw. herausfinden?
Die Idee ist entstanden, als ich als Techniksoziologin in einem Robotiklabor gearbeitet habe, in dem neue Roboterarme angeschafft wurden und die Frage im Raum stand: Welche Szenarien der Interaktion wollen wir damit realisieren? Ich habe damals etwas scherzhaft und spontan „Stricken“ vorgeschlagen. Auf den ersten Blick erscheint es komisch, eine „cutting edge“-Technologie und die scheinbar „langweiligste Kulturtechnik der Welt“ zusammen zu bringen. Ausgangspunkt war aber die Frage: Wie wollen wir mit Roboterarmen der neuesten Generation, die für die physisch nahe Arbeit mit ‚uns Menschen' gemacht wurden, zusammenarbeiten? Bei meiner Bildersuche im Internet fand ich häufig zwei Bilder: Zum einen das Bild des hochautomatisierten, flexiblen Roboterarms, der mit einem männlichen Handwerker arbeitet. Zum anderen die Arme eines Roboters, der zusammen mit einer weiblichen Pflegerin Pflegedienstleistungen verrichtet. Bei beiden Bildern fällt auf, dass die Bilder mit bestimmten gesellschaftlichen Stereotypen arbeiten.
Mein Ziel ist es, neue Bilder des Zusammenarbeitens von Menschen und Robotern zu generieren und dabei Hände, Greifer und Tätigkeiten anders zusammen zu bringen, ohne die recht klischeehaften, bereits existierenden Vorstellungen heraufzubeschwören. Mit Stricknadeln und Wolle durch ein Robotiklabor zu laufen und Nadeln, Faden, Greifer und Hände so zusammen zu bringen, dass ein gemeinsames Stricken möglich ist, durchkreuzt die etablierten Denkmuster.
Was ist der Status Ihres Projekts »Träumen Roboter vom Stricken? Neucodierungen der Zusammenarbeit zwischen Roboter und Mensch«? Gibt es erste Erkenntnisse?
Im Fokus des Projektes steht der Prozess, kooperativ zu stricken. Wir haben dazu drei Szenarien definiert, die wir realisieren wollen:
1. Eine Person strickt und ein Roboterarm reicht den Faden nach. 2. Eine Person strickt und der Roboterarm übernimmt die (leere) rechte Nadel 3. Zwei Roboterarme übernehmen die beiden Nadeln und eine Person gibt den Faden nach, bzw. hilft dabei, Faden, Nadeln und Maschen zu orchestrieren.
Dabei wurde schnell klar, wie kompliziert Stricken eigentlich ist und wie viele Kompensationsbewegungen ich als Stricker_in eigentlich mache. Dabei ist es dann meine Aufgabe, Stricken für den Roboter als lernbare Bewegung umzusetzen. Nicht zuletzt haben wir auch festgestellt, dass das richtige Material eine große Herausforderung darstellt. So haben wir Nadeln in unterschiedlichen Stärken aus Kunststoff, Bambus und Metall benutzt, aber auch die unterschiedlichsten Wollqualitäten und -stärken, um herauszufinden, was dem Prozess des gemeinsamen Strickens zuträglich ist. Mittlerweile können wir recht robust eine der Nadeln an PANDA abgeben und das Szenario 2 realisieren.
Lernen Computer anders Stricken als Menschen?
Absolut. Ich habe beispielsweise Stricken über das Anschauen von Youtube Video-Tutorials für Socken gelernt. Das „Lernen“ bei PANDA findet darüber statt, dass ich, wenn ich einem PANDA die Strickbewegung zeige, entlang dieser Bewegung Punkte auf der x-, y- und z-Achse setze. PANDA kann dann diese Punkte abfahren und dabei die Robotergelenke „richtig halten“, so dass die erwünschte Strickbewegung resultiert. PANDA weiß dafür weder, dass wir stricken, noch, dass es einen Faden gibt, den es zu kontrollieren gilt.
Katrin M. Kämpf
Wer strickt wohl besser – Mensch oder Maschine? Oder beide zusammen?
Das ist eine spannende Frage, denn je nach Gesichtspunkten kann die Antwort unterschiedlich ausfallen. Zunächst einmal wollen wir in dem Projekt weder eine Strickmaschine noch eine effizient strickende Person ersetzen. Vielmehr geht es ja darum, auszutesten, was überhaupt an dieser neuen Schnittstelle möglich ist. Gerade, wenn Material und auch die Art der Bewegung so spezifisch aufeinander abgestimmt sein müssen, tritt die Frage nach dem Produkt (dem Strickstück) fast schon in den Hintergrund. Und: das gemeinsame Stricken ist eben ein hochkomplexer Prozess, bei dem beide Partner_innen sozusagen viel lernen müssen - das ist alles andere als einfach und die Herausforderung besteht darin, zu verstehen, wie sich beide aufeinander abstimmen können, beziehungsweise, was es braucht, um erfolgreich zusammen zu arbeiten.
Was hat PANDA schon gestrickt?
Generell steht bei unserem Stricken mehr der Prozess als das Strickstück im Fokus. Zusammen haben wir aber schon einige Stücke gestrickt, die sich bisher alle im Format der größeren Maschenprobe bewegen, die aus rechten Maschen besteht. Wir überlegen gerade, was wir damit machen wollen. Also zum Beispiel, ob wir die Stücke zusammennähen wollen und wir so eine Fläche schaffen, die wir bei Präsentationen dann aufhängen oder mitnehmen können. Denn das Projekt ist ja insgesamt ein sehr haptisch-taktiles und ich sehe darin jetzt noch eine Herausforderung, wie das in der Dokumentation und Auswertung mitgenommen werden kann, die ja auf Textuellem und Visuellem basieren.
Was versprechen Sie sich von einem Besuch der h+h cologne? Und kommt PANDA mit?
Erst einmal bin ich neugierig darauf, welche Wolltrends sich abzeichnen und welche davon für das Stricken mit Robotern geeignet sind. Denn die Beschäftigung mit dem geeigneten Material, also Garn und Nadeln, macht einen großen Anteil des Projektes aus und wir haben immer noch nicht das perfekte Garn und die perfekten Nadeln für uns gefunden. Zudem interessieren mich allgemein die Schnittstellen zwischen textilem Gestalten und neuen Technologien, wie beispielsweise leitenden Garnen, aber auch generell die Veränderungen in dem Bereich „Handarbeit & Hobby“.
Als ich 2001 nach dem Abitur zunächst den ingenieurwissenschaftlichen Studiengang Bekleidungstechnik studierte, habe ich Grundlagen der Nähmaschinentechnik, aber auch der Textilproduktion gelernt und möchte mich über die sich seitdem in beiden Bereichen abzeichnende Computerisierung, bzw. Digitalisierung informieren. Darüber würde ich auch gerne mit Hersteller_innen ins Gespräch kommen.
PANDA kann leider nicht mitkommen - allein das Gewicht von 18kg verhindert das leider.
Mehr zum Projekt auf blogs.tu-berlin.de/zifg_stricken-mit-robotern